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Rechungslegungsklagen gegen den Erben

Ausgangslage

Pflichtteilsberechtigte wissen oft nicht vom gesamten Vermögen des Erblassers oder von von diesem an andere Familienangehörige (Ehefrau, Kinder, Enekl) gemachten Schenkungen Bescheid. Abhilfe schafft unter anderem (es gibt auch andere Rechtsbehelfe) eine sogenannten Stufenklage gegen den Nachlass, den Erben oder die Beschenkten. Dafür gelten jeweils unterschiedliche Voraussetzungen (zB Nachweis zumindest einer einzigen Schenkung, Erbenstellung, objektiv nachvollziehbarer und nicht bloß subjektiver Verdacht von Vermögensverheimlichung etc.). Damit kann der Pflichtteilsberechtigte seine konkreten Ansprüche beziffern, und NICHT vorher. Der Verurteilte muss dann Auskunft gegen und einen Eid leisten, bei Meineid droht eine empfindliche Freiheitsstrafe, vergleichbar mit mittelschweren Vermögensdelikten (§ 288 Abs 2 StGB). Außerdem gilt bei Meineid nicht das Familienprivileg des § 166 StGB, das heißt, anders als bei Diebstählen und Betrügereien zulasten des Erblassers, des Nachlasses oder des auf Pflichtteil klagenden Bruders, kann ein Meineid sogar den Testamentserben nachträglich erbunwürdig machen (§ 541 Z 1 ABGB). Das heißt, man darf hoffen, dass der zum Eid verurteilte es sich zweimal überlegt, ob er einen Meineid leistet.

Erst nach Vorliegen des Eides muss sich der Pflichtteilsberechtigte entscheiden, was davon er glaubt und wie hoch er seinen Pflichtteilsanspruch beziffert. Das kann natürlich bedeuten, dass man am Ende die Klage ganz zurückzieht, weil man keine Erfolgssaussichten sieht. Oder aber, man glaubt, die Unrichtigkeit des Eides beweisen zu können und begehrt mehr, als sich auf Basis des Eides ergeben würde.

Keine vorschnellen Eventualbegehren auf Zahlung

Ein aktuelles Urteil des OLG Linz in einer von mir geführten Pflichtteilsklage bestätigt die Wichtigkeit der präzisen Formulierung solcher Klagen, insbesondere bei der Gestaltung von Eventualbegehren.
Ich hatte verschiedene Auskunfts- und Eidesleistungsbegehren und auf deren Basis das übliche unbestimmte Zahlungsbegehren gestellt (“klassische Stufenklage”). Zusätzlich nahm ich aber – gewissermaßen als “Sicherheitsnetz” – ein bereits beziffertes Eventualzahlungsbegehren auf. Das ist deswegen sinnvoll, weil bei Abweisung des Eidesbegehrens nach ständiger Rechtsprechung die Stufenklage auch hinsichtlich des noch nicht bezifferten Zahlungsanspruchs sofort abzuweisen ist, ohne dass man als Kläger Gelegenheit zur Bezifferung bekommt. Wer das übersieht, muss dann – mit zusätzlicher gerichtlicher Pauschalebühr von meist mehreren tausend Euro (!) – eine eigene Zahlungsklage einbringen.

Die Gefahr dabei ist aber, dass das Eventualbegehren “zu früh greift”, weil schon eine bloße Teilabweisung der Stufenklage zum Schlagendwerden des Eventualbegehrens führt. Ich habe daher die Eventualbedingen entsprechend anders formuliert. Das OLG Linz hat nun in einem Berufungsverfahren die weitreichenden prozessuale Konsequenzen dieser kleinen sprachlichen Nuance bestätigt:
Das Oberlandesgericht stellt klar, dass das Eventualbegehren erst dann zu prüfen ist, wenn sämtliche Auskunfts- und Eidesleistungsbegehren erfolglos geblieben sind. Da im konkreten Fall einige Eidesleistungsbegehren Erfolg hatten, blieb das Eventualbegehren außer Betracht.
Diese Vorgehensweise bietet mehrere Vorteile:

  1. Sie wahrt die Logik der Stufenklage, bei der zunächst alle notwendigen Informationen beschafft werden sollen
  2. Sie verhindert eine vorzeitige Entscheidung über das Zahlungsbegehren
  3. Sie erhält die Flexibilität, erst nach Vorliegen aller Informationen den Anspruch präzise zu beziffern
  4. Sie schützt vor prozessualen Nachteilen bei teilweisem Erfolg der Informationsbegehren

Was wäre bei anderer Formulierung passiert?
Hätte ich die Eventualbedingung anders formuliert, hätte das Gericht schon bei teilweiser Abweisung der Informationsbegehren über das Eventualbegehren entscheiden können (was das Erstgericht so gesehen hat, weswegen ich Berufung erhoben habe). Dies hätte dem Zweck der Stufenklage widersprochen und könnte den Pflichtteilsberechtigten wichtige prozessuale Optionen nehmen.

Bei der Formulierung von Eventualbegehren sollte man Sorgfalt walten lassen, auch wenn Eventualbegehren in der Praxis manchmal nur als “Absicherung zum Drüberstreuen” angesehen werden. Die korrekte sprachliche Fassung kann über Erfolg oder Misserfolg der Rechtsdurchsetzung entscheiden.

Als auf Erbrecht spezialisierter Rechtsanwalt und ehemaliger Verlassenschaftsrichter stehe ich Ihnen gerne für eine individuelle und ausführliche Beratung zur Verfügung und vertrete Sie bei Erbschaftsstreitigkeiten und der Abwehr oder Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen.

Rufen Sie gerne an unter 0 72 42 / 6 73 73 für einen Termin (1. halbe Stunde kostenlos) oder schreiben Sie eine E-Mail an kanzlei@kirschner-recht.at.

Dr. Lorenz Kirschner

Rechtsanwalt Dr. Lorenz Kirschner

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