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Als Beschuldigter oder Zeuge die “Aussage zurückziehen” – das geht auch in Österreich, aber …

Zeuge oder Beschuldigter?

Es macht einen großen Unterschied, ob Sie in einem Strafverfahren als Zeuge oder als Beschuldigter befragt (im Juristendeutsch: einvernommen) wurden.

Als Zeuge

Eine Aussage selbst kann man eigentlich nicht “zurückziehen“. Diese Redewendung kann bei Gericht mehreres bedeuten. Denn in einem Strafverfahren darf nur verwertet werden, was in der ÖFFENTLICHEN MÜNDLICHEN Verhandlung passiert. Noch lebende Zeugen müssen unmittelbar vom Gericht einvernommen werden (ein polizeiliches Protokoll ist eben nicht soviel wert wie der persönliche Eindruck des Richters). Eigentlich geht es bei der Eingangsfrage darum, was passiert, wenn Sie vor Gericht etwas anderes sagen als bei der Polizei oder wenn Sie gar nichts mehr sagen wollen:

Wenn Sie als Zeuge vor Gericht plötzlich ETWAS ANDERES aussagen, haben Sie schon verloren. Denn dann haben Sie entweder bei der polizeilichen Einvernahme oder bei der gerichtlichen Einvernahme gelogen. Sie haben sich also gemäß § 288 StGB wegen falscher Beweissaussage strafbar gemacht (außer der seltene Fall eines Aussagenotstandes nach § 290 StGB liegt vor). Außerdem darf das Gericht dann Ihre polizeiliche Aussage verwerten und es wird voraussichtlich zB der von  Ihnen gedeckte Angeklagte trotzdem verurteilt.

Wenn Sie als Zeuge die “AUSSAGE ZURÜCKZIEHEN” wollen, dann können Sie das nur, wenn Sie ein Zeugnisverweigerungsrecht haben. Die vor der Polizei abgelegte Aussage darf dann nicht verwertet werden. Angehörige des Angeklagten haben dieses Schweigerecht (zB Kinder, Eltern, Großeltern, Enkel, Ehegatten, eingetragene Partner, Geschwister, Cousins, Pflegeeltern, Pflegekinder, Obsorgeberechtigte, Lebensgefährten; zur Frage ob auch Ex-Gatten und Ex-Lebensgefährten siehe https://www.kirschner-recht.at/kann-der-ex-lebensgefaehrte-die-aussage-zurueckziehen/).

Alle anderen können die Aussage aber zB auch als verweigern, wenn

a) ihnen oder einem Angehörigen Schande oder ein Vermögensschaden droht

b) sie durch angeklagte Straftat selbst in ihrer Sexualsphäre betroffen sind,

c) sie Umstände aus dem höchstpersönlichen Lebensbereich schildern müssten.

Wenn Sie nicht entschlagungsberechigt sind, müssen Sie bei Gericht die Wahrheit sagen. Wenn Sie sich weigern auszusagen, kann in den meisten Fällen einfach das Polizeiprotokoll verwertet werden. Zusätzlich drohen (nur) Beugemaßnahmen. Die unberechtigte AUSSAGEVERWEIGERUNG IST KEINE GERICHTLICHE STRAFTAT.

Als Beschuldigter oder Angeklagter

Als Beschuldigter oder Angeklagter darf man fast alles und das straflos. Man darf lügen (solange man nicht andere verleumdet), früheren Aussagen widersprechen oder einfach schweigen. Doch frühere polizeiliche Aussagen eines Beschuldigten dürfen vom Gericht fast immer verwertet werden. Es empfiehlt sich also vor allem eines: Keine Aussage machen, bevor die Sache nicht mit einem Verteidiger besprochen wurde. Das mag kosten, alles andere wird Sie aber oft teuer zu stehen kommen, (siehe: https://www.kirschner-recht.at/das-verhoer-bei-der-polizei-regel-nr-1-und-2/ und https://www.kirschner-recht.at/was-ist-eine-gute-verteidigungstrategie/ und https://www.kirschner-recht.at/ein-beschuldigter-darf-sich-bei-der-vernehmung-vor-jeder-einzelnen-antwort-mit-den-verteidiger-besprechen/)

Sollten Sie eine Frage zu diesem Thema haben, können Sie mich gerne per Mail unter kanzlei@kirschner-recht.at für eine kostenlose Ersteinschätzung kontaktieren oder mit meinem Sekretariat einen Termin für eine kostenlose persönliche Erstberatung vereinbaren.

Dr. Lorenz Kirschner

Strafverteidiger

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